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Der Fünffingerlesturm an der unteren Jakober Mauer in Augsburg


Unter den baugeschichtlich bedeutenden Denkmälern unserer Stadt nimmt der Fünfgratturm (im Volksmund Fünffingerles-Turm genannt) eine hervorragende Stellung als Dokument mittelalterlicher Baukunst ein. Seinen Namen erhielt der Fünfgratturm von der traditionellen Dachform, bestehend aus einem mittigen Zeltdach und vier auf die Ecken gesetzten Scharwachttürmen. Diese Bauweise war in der damaligen Zeit sehr beliebt. Das Motiv findet sich auch an den frühen Vorgängern einiger Augsburger Tore, wie zum Beispiel dem Roten Tor. Die Bezeichnung „Scharwachtturm“ kommt ursprünglich von den sog. Scharwächtern, die als Feuer- und Ordnungswache in der Stadt patrouillierten. Für diese wurde der Fünfgratturm errichtet. Der Turm wurde zwischen 1420 und 1454 erbaut und in die bereits vorhandene Stadtmauer eingefügt. Er war somit ursprünglich Bestandteil der Befestigung der Jakobervorstadt.
Durch den Abbruch der Stadtmauer wurde der Turm 1867 freigestellt und das Umfeld begrünt. Für die Bürger entstand durch die Niederlegung der Stadtbefestigung ein heute unverzichtbarer Naherholungsbereich, im unmittelbaren Umfeld der Altstadt Augsburg.
Der seit seiner Errichtung nahezu unveränderte Fünffingerlesturm nimmt im Stadtbild Augsburgs deshalb eine besondere Stellung ein, da er einer der letzten noch in seiner mittelalterlichen Gestalt erhaltenen Türme ist. Die Übrigen wurden entweder abgebrochen, und das Baumaterial in zeitgenössischen Bauten weiterverwendet, oder im ausgehenden 16. Jahrhundert durch den Stadtbaumeister Elias Holl umgestaltet.

Umbauten im Laufe der Zeit
Der Fünffingerlesturm wurde zunächst als Tor- Turm mit unmittelbarem Zugang zum Wasser des Stadtgrabens errichtet und hatte ein 5 m hohes Torhaus. Der Zugang zu dem an dieser Stelle aufgestauten Graben ermöglichte eine Anlieferung über den Wasserweg, und sicherte die Versorgung für Löscharbeiten bei drohenden Bränden aus dem unmittelbar gegenüberliegenden zentralen Kohlenlager der Stadt. Seit der Erfindung des Schießpulvers im 14. Jahrhundert führte von hier aus die Pulvergasse zu den nahegelegenen Pulvermühlen. Ab 1602 fungierte der Turm nicht mehr als Tor- Turm. Seine beiden Toröffnungen wurden vermauert und in allen Geschossen die Holzdecken durch Gewölbe ersetzt. Im dem hohen Torhaus wurde der heutige erste Stock eingebaut. In die oberen Geschosse gelangte man über den Wehrgang der Stadtmauer. In dieser Bauphase wurde die bis heute erhaltene Spindeltreppe in Ziegelbauweise errichtet.
Mit der Besetzung Augsburgs im Dreißigjährigen Krieg, durch den schwedischen König Gustav Adolf wurde von 1632 – 1635 der Graben mit sog. Ravelins (dem Graben vorgelagerten, dreieckigen Geschützplattformen) verstärkt. Über Veränderungen in einer weiteren Besatzungszeit, nach Eroberung Augsburgs im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges 1703 – 1704 durch bayerische und französische Truppen ist am Gebäude nichts überliefert. Als die Stadtmauer ab 1866 nach langen Verhandlungen der Stadtväter mit dem Bayerischen König Ludwig II abgebrochen werden durfte, um eine moderne Stadtentwicklung zu ermöglichen, ließ man den Turm, wie andere stadtbildprägende Bauten der Wehranlagen bestehen. Ein kleines Reststück Mauer wurde in den 1930er Jahren endgültig entfernt. Die Sicherung durch Eisengitter in den Fenstern stammt wahrscheinlich aus der Zeit zwischen 1883 und 1920.
Im Jahr 1948 wurde der Fünffingerlesturm umfangreich saniert. In diesem Zuge wurde das Mauerwerk ausgebessert, die Dachdeckung vollkommen erneuert und der einstige Wetterhahn als Wetterhecht wieder aufgesetzt. Der Dachstuhl ist im Original aus der Erbauungszeit erhalten und wird nach jüngster dendro-chronologischen Untersuchung bereits auf das Jahr 1420 datiert. Beachtenswert ist dort eine originale Seilwinde. Diesenkönnte zur Handhabe der Aufricht- Arbeiten der Zimmerleute oder zur Bedienung des Fallgitters gedient haben.
In den Jahren 1973/74 wurde der Turm nochmals saniert. Dabei wurde das Innenniveau des Erdgeschosses an den gegenüber dem historischen Straßenniveau erhöhten Bürgersteig angeglichen.
Das Innere des Turmes
Das Innere des Turmes besteht aus fünf Stockwerken, rechnet man den heute nicht mehr vorhandenen Dielenboden auf Höhe der Ecktürme im Dachstuhl hinzu. Im mittleren Geschoss befindet sich ein Fresko auf Feinputz mit grauer Grundierung. Es zeigt wahrscheinlich den Augsburger Dom, der dort in einer stark stilisierten Weise, mit hohen schlanken Türmen, hohen spitzbogigen Langhausfenstern und offenem Portal dargestellt ist. Das Fresko wird auf die Errichtung des Turmes datiert. In dieser Zeit
erfährt der Augsburger Dom mit dem Bau des Hohen Ostchores eine maßgebliche Umgestaltung. Die Malerei wurde „al secco“ mit schmalem Pinsel auf den sehr glatten Feinputz aufgetragen. Es wurde ein rotes Pigment in wässriger Lösung verwendet. Unter der Malschicht ist eine feine Vorritzung erkennbar.
Der Diplom-Restaurator Markus Binapfl festigte im Juni 2011 auf Initiative der altaugsburggesellschaft hin das Wandbild. Ohne rettende Maßnahmen wäre die Wandmalerei unwiderruflich verloren.

Augsburg, den 19.06.2023 bz