Für Europa gemacht, für Augsburg erworben: Die Schaezleruhr

Das Schaezlerpalais ist im Bewusstsein der Öffentlichkeit als Zeugnis des 18. Jahrhunderts, einer der glänzendsten Epochen Augsburger Kunst und Kultur, verankert wie kein anderes Baudenkmal unserer Stadt. Dank glücklicher Umstände entgingen das Haus und sein kostbares Interieur – allem voran der grandiose Festsaal – den Bomben des Zweiten Weltkriegs. Seit der großherzigen Stiftung des Hauses an die Stadt Augsburg durch Wolfgang Freiherr von Schaezler und seiner Gemahlin Hilda im Jahr 1958 bildet es den festlichen Rahmen für die städtischen Kunstsammlungen. 

Die altaugsburggesellschaft ist seit Jahrzehnten dem Schaezlerpalais und den Kunstsammlungen und Museen der Stadt Augsburg bei Renovierungen und Ankäufen eng verbunden. In den vergangenen Jahren konnten wir Dank breiten Bürgerengagements auch einen namhaften finanziellen Beitrag zur Restaurierung des Rokokosaals leisten. 

Als die Schaezleruhr, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts als verschollen galt, auf dem internationalen Kunstmarkt angeboten wurde, war es für die altaugsburggesellschaft eine besondere Herausforderung, das wertvolle Stück an seinen angestammten Platz zurückzuführen. Der Preis war hoch und unser Vorhaben schien aussichtslos. Hilfe fanden wir bei der SIEMENS AG/Niederlassung Augsburg und der Ernst von Siemens Kunststiftung, denen großer Verdienst gebührt, David Roentgens Schaezleruhr für Augsburg gesichert zu haben. 

Die prunkvolle Bodenstanduhr aus dem Besitz der Freiherren von Schaezler wurde um 1785 in der berühmten Cabinetmacherei des David Roentgen (1743–1807) in Neuwied am Rhein geschaffen. Uhr-, Schlag- und Musikwerke lieferten Hermann Achenbach und Johannes Schmidt, das Zimbal und das Flötenwerk mit seiner komplizierten Mechanik die Brüder Johann Christian und Johann Wilhelm Weil. 

Das Musikwerk ist so konzipiert, dass auf einer Stiftwalze vier Musikstücke von je 60 Sekunden Platz finden. Diese können mittels der Melodienskala oberhalb des Zifferblattes eingestellt und stündlich abgespielt oder manuell ausgelöst werden. Die Stückfolge Andante, Menuet, Polonoise und Allegro bildet eine kleine Suite, deren Komponist bislang nicht identifiziert werden konnte. Dank ausgefeilter Technik und höchster handwerklicher Präzision stellt sie aber ein Dokument ersten Ranges zur Interpretationspraxis des späten 18. Jahrhunderts dar und bringt bis heute die Zeit des Ancien Régime zum Klingen. 

Mit der Schaezleruhr schuf David Roentgen ein raffiniertes mechanisches Möbel in vollendeter Verarbeitung. Seine seltenen Uhren wurden vor über 200 Jahren an die gekrönten Häupter Europas geliefert und sind heute von den großen Museen und Sammlungen gesucht. Von unserer Standuhr mit Musikspielwerk existieren weltweit nur zwei vergleichbare Exemplare! 

David Roentgens Meisterwerk war vermutlich für die kurfürstliche Residenz zu Koblenz geschaffen worden und kam 1795 mit der Flucht des letzten Trierer Kurfürsten und Augsburger Bischofs Clemens Wenzeslaus nach Augsburg. Der Bankier und Unternehmer Johann Lorenz Freiherr von Schaezler (1762–1826) erwarb Roentgens Meisterwerk schließlich für sein mondänes Augsburger Palais. 

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts galt die Schaezleruhr als verschollen, blieb aber bis 2000 im Besitz von Nachfahren des Johann Lorenz von Schaezler. 2005 konnte das kostbare Uhrenmöbel David Roentgens auf Initiative der altaugsburggesellschaft, der Kunstsammlungen und Museen der Stadt Augsburg und namentlich der SIEMENS AG Augsburg und durch die Ernst von Siemens Kunststiftung erworben werden. 

Zur Wiedereröffnung des in den letzten Jahren mit großem Aufwand restaurierten Palais wurde die Schaezleruhr am 20. Januar 2006 dauerhaft der Obhut der Kunstsammlungen und Museen Augsburg übergeben.

Prof. Joachim Fischer (Ernst von Siemens Kunststiftung), Oberbürgermeister Dr. Paul Wengert, Dr. Christof Trepesch (Direktor Kunstsammlungen und Museen), Anne Voit (Vorsitzende altaugsburggesellschaft) und Georg Lutzenberger (SIEMENS AG Augsburg) freuen sich über die heimgekehrte Schaezleruhr.